Den Test der Zeit bestanden: Saarbrücker Informatiker für einflussreiche Forschungsarbeiten ausgezeichnet
Informatik-Professor Holger Hermanns wurde international für seine Arbeit ausgezeichnet. Foto: Oliver Dietze
Informatik-Professor Holger Hermanns wird gemeinsam mit Kollegen mit dem „Jean-Claude Laprie Award in Dependable Computing“ für eine Forschungsarbeit ausgezeichnet, in der sie eine neue Methode zum Überprüfen von Modellen entwickelt haben. Der Preis wird seit 2012 jährlich vergeben und würdigt herausragende Arbeiten, welche die Theorie und Praxis des Forschungsfeldes „Dependable Computing“ maßgeblich geprägt haben. Die Preisverleihung findet am 29. Juni in Porto, Portugal, auf der 53. „International Conference on Dependable Systems and Networks” statt.
Die Arbeit an und mit Modellen, also Repräsentationen bestimmter Sachverhalte in der echten Welt, ist Brot und Butter zahlreicher Wissenschaften. Ob meteorologische Modelle, die zur Wettervorhersage genutzt werden, biologische Modelle wie die Doppelhelix DNA, oder epidemiologische Modelle, die zur Beschreibung des Ausbruchsgeschehens während der Corona-Pandemie verwendet wurden – sie ermöglichen Forscherinnen und Forschern, bestimmte Aspekte der Welt isoliert und unter kontrollierten Bedingungen zu betrachten.
Auch in der Informatik spielen Modelle eine zentrale Rolle. Es gibt beispielsweise Modelle, um zu berechnen, ob ein Algorithmus unter bestimmten Bedingungen rechtzeitig ausgeführt werden kann. Oder Modelle, anhand derer man beweisen kann, dass ein Algorithmus der schnellste für einen bestimmten Anwendungsfall ist. „Modellierungen wie diese können zu sicherer und zuverlässiger Software beitragen, da man mit ihrer Hilfe wichtige Fragen über die Eigenschaften eines Algorithmus klären kann, bevor dieser in einem Endprodukt implementiert wird“, erklärt der Saarbrücker Informatik-Professor Holger Hermanns.
Modelle sind selbst wiederum ein eigenes Forschungsfeld. „Zunächst einmal muss man überhaupt wissen, wie man an ein adäquates Modell eines Systems kommt. Anschließend muss man wissen: Was und vor allem wie kann ich mein Modell richtig ‚befragen‘, um Erkenntnisse daraus zu gewinnen“, sagt Hermanns. Letzterem Aspekt widmet sich die 2003 in den „IEEE Transactions of Software Engineering“ erschienene Arbeit „Model-checking algorithms for continuous-time Markov chains“, für die er gemeinsam mit seinen Kolleginnen Christel Baier, Boudewijn Haverkort, und Joost-Pieter Katoen nun von der „Working Group on Dependable Computing and Fault Tolerance“ der „International Federation for Information Processing (IFIP)“ ausgezeichnet wurde. Das Papier hat die Forschung und Praxis zum Entwurf und zur Bewertung zuverlässiger und sicherheitskritischer Systeme tiefgreifend beeinflusst.
„Wir haben uns mit sogenannten Markov-Ketten befasst. Das sind mathematische Modelle, die angeben können, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass ein System über einen bestimmten Zeitraum – oder zu einem bestimmten Zeitpunkt – in einem bestimmten Zustand ist. Beispielsweise: ‚Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Brennstäbe des Atomkraftwerks um 17 Uhr noch unter der kritischen Temperaturgrenze liegen‘“, erklärt Holger Hermanns. Markov-Ketten werden dementsprechend vor allem im Forschungsfeld der Leistungsevaluation (Performance Evaluation) eingesetzt. „Die Leistungsevaluation hatte bis zu unserer Arbeit einen begrenzten ‘Fragenkatalog’ und konnte aus ihren Modellen somit nur vergleichsweise oberflächliche Informationen ablesen“, erklärt Holger Hermanns. „Wir haben komplexe Logiken aus der theoretischen Informatik für die Anwendungen der Performance Evaluation adaptiert und so eine neue ‚Sprache‘ entwickelt, mit der man ein Modell mit komplexen, verschachtelten Anfragen durchleuchten kann“, erläutert der Saarbrücker Informatik-Professor. Diese detaillierteren „Befragungsmöglichkeiten“ helfen dabei, die modellierten Systeme besser einzuschätzen und somit die korrekte Funktionsweise sicherzustellen.
Das Papier von Hermanns und Kollegen zählt zu den 100 meistzitierten Arbeiten der „IEEE Transactions on Software Engineering“ und hat zahlreiche Modellprüfungsverfahren beeinflusst. Auf dem Ansatz der Forscher basierende Systeme kommen beispielsweise in sicherheitskritischen Infrastrukturen wie Atomkraftwerken zum Einsatz, auch die europäische Raumfahrtbehörde ESA und der Automobilhersteller BMW nutzen den Ansatz, um die Zuverlässigkeit ihrer Systeme zu bewerten.
Für eine thematisch eng verwandte Arbeit erhielten Christel Baier, Holger Hermanns und Joost-Pieter Katoen bereits 2022 den „Test of Time Award“ der „International Conference on Concurrency Theory (CONCUR)“. „Innnerhalb so kurzer Zeit gleich auf zwei international renommierten Konferenzen ausgezeichnet zu werden, ist eine große Freude und bestätigt, dass wir damals vor knapp 20 Jahren durchaus etwas Wichtigem auf der Spur waren“, sagt Holger Hermanns.
Weitere Informationen:
Über den Jean-Claude Laprie Award: https://www.dependability.org/?page_id=450
Über den CONCUR Test of Time Award: https://concur2022.mimuw.edu.pl/tot-award/index.html
Hintergrund Saarland Informatics Campus:
900 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (darunter 400 Promovierende) und rund 2500 Studierende aus mehr als 80 Nationen machen den Saarland Informatics Campus (SIC) zu einem der führenden Standorte für Informatik in Deutschland und Europa. Vier weltweit angesehene Forschungsinstitute, nämlich das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), das Max-Planck-Institut für Informatik, das Max-Planck-Institut für Softwaresysteme, das Zentrum für Bioinformatik, sowie die Universität des Saarlandes mit drei vernetzten Fachbereichen und 24 Studiengänge decken das gesamte Themenspektrum der Informatik ab.
Redaktion:
Philipp Zapf-Schramm
Saarland Informatics Campus
Telefon: +49 681 302-70741
E-Mail: pzapf@cs.uni-saarland.de