Forschungskooperation entwickelt eine neue Methode, die die Krebsdiagnose erleichtern könnte

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Credits: Tobias Wüstenfels/EMBL


Forscher unter der Leitung des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg und des Zentrums für Bioinformatik der Universität des Saarlandes in Saarbrücken, Deutschland, haben eine kostengünstigere und schnellere Methode entwickelt, um auf genetische Unterschiede in einzelnen Zellen zu prüfen, die die bestehenden Techniken in Bezug auf die erhaltenen Informationen übertrifft. Diese neue Methode könnte zu einem neuen Standard in der Einzelzellforschung und möglicherweise zur klinischen Diagnose in der Krankheits-Genetik, einschließlich Krebs, werden. Die Ergebnisse wurden in Nature Biotechnology veröffentlicht.

„Unsere neue Methode zur Untersuchung genetischer Variationen in einzelnen Zellen könnte das Fachgebiet des Mutationsnachweis verändern“, betont Ashley Sanders, einer der Hauptautoren der Studie, die am EMBL Heidelberg arbeitet. Mit der von ihr und ihren Kollegen entwickelten Methode – scTRIP (single cell tri-channel processing) – können sie genetische Variationen in der DNA einer einzelnen Zelle untersuchen und diese direkt bei der Bildung in neuen Zellen messen. Im Gegensatz zu den bisherigen Methoden, die nur große Veränderungen im Genom erkennen konnten, kann scTRIP kleine Veränderungen sowie viele Arten von genetischen Variationen erkennen, die mit anderen Einzelzellmethoden nicht sichtbar sind.

Die Forscher testeten ihre Methode bei der Untersuchung von Leukämiezellen, die von Patienten stammen. In deren Proben fand das Team viermal mehr Varianten im Patienten, als in der klinischen Standarddiagnostik nachgewiesen wurden. Dazu gehörte eine fehlende, klinisch relevante Translokation, die die Überexpression eines krebserregenden Gens verursachte. Sie beobachteten weiterhin eine katastrophale Chromosomenumlagerung, die bei der ersten Leukämiediagnose übersehen wurde. Dies geschah wahrscheinlich, als ein einzelnes Chromosom zerbrach und dann in umgekehrter Reihenfolge wieder zusammenklebte.

„Diese ersten Ergebnisse zeigen, dass unsere Methode die bestehenden deutlich übertrifft. Unsere Methode ist viel schneller und kostengünstiger als die derzeit eingesetzten Methoden zur Aufdeckung genetischer Varianten in Einzelzellen. Das könnte für klinische Anwendungen sehr nützlich sein“ , fasst Tobias Marschall vom Zentrum für Bioinformatik der Universität des Saarlandes und vom Max-Planck-Institut für Informatik zusammen. Das Team hat damit begonnen, den Einsatz der Methode zur Analyse verschiedener Formen von Leukämie zu erweitern und den potenziellen klinischen Nutzen zu bewerten.

Da die Heterogenität einer Probe am besten auf Einzelzellebene untersucht werden kann, haben Forscher auf der ganzen Welt – darunter mehrere Gruppen am EMBL – an der Entwicklung von Technologien zur Verbesserung der erhaltenen Informationen gearbeitet. „Während bestehende Techniken zeigen, wie sich verschiedene Zellen verhalten oder auf Manipulation oder Behandlung reagieren können, konzentrieren sich Forschung und Anwendung bisher auf die Messung der RNA in einer Zelle. Die Messung der DNA in einer einzelnen Zelle hat jedoch bisher deutlich weniger Beachtung gefunden“, erklärt Tobias Marschall. Da es erwartet wird, dass der Blick auf die DNA ein neues Verständnis dafür liefern wird, wie diese genetischen Veränderungen das Verhalten der Zellen beeinflussen, richtet sich die neue Methode an die Bedürfnisse von Forschern und Ärzten.

scTRIP basiert auf einer Technologie, die Ashley Sanders während ihrer Promotion in Vancouver mitentwickelt hat. „scTRIP kombiniert Signale aus drei verschiedenen Informationskanälen innerhalb des genomischen Codes der einzelnen Zellen“, erklärt Jan Korbel, Gruppenleiter am EMBL Heidelberg. „Auf diese Weise können wir mit unserer Methode das gesamte Spektrum der DNA-Umlagerungen in einzelnen Zellen aufdecken.“

Mit scTRIP setzen die Forscher nun ihre Forschung zu einer ganz grundlegenden Frage fort: Inwiefern unterscheidet sich eine Zelle im Körper von jeder anderen Zelle, sowohl im Zusammenhang mit Krebs als auch in normalen Zellen? Bisher konnten sie diese Frage nicht beantworten, weil ihnen die Technologie dazu fehlte. „Mit scTRIP können wir nun direkt die Mutationsprozesse messen, die in Zellen ablaufen, um neue genetisch unterschiedliche Populationen zu erzeugen“ , sagt Ashley Sanders. Für die nächsten Forschungsschritte plant das Team, Mutationsprozesse in verschiedenen menschlichen Zelltypen zu untersuchen und die Auswirkungen zu bewerten, die diese Unterschiede auf die Krankheiten des Menschen haben.

Mehr Informationen:
Sanders A. et al. Einzelzellanalyse von Strukturvariationen und komplexen Umlagerungen mit Hilfe von drei-Kanal-Verarbeitung; D. Nature Biotechnology, online veröffentlicht am 23. Dezember 2019

Fragen beantwortet
Prof. Dr. Tobias Marschall
Zentrum für Bioinformatik
Saarland Informatics Campus (SIC)
Telefon: +49 681 302 70880
E-Mail: marschall@cs.uni-saarland.de



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